Ein bisschen mehr Genügsamkeit und Disziplin bitte!


    Mit spitzer Feder …


    (Bild: zVg)

    Die Pandemie dauert bald ein Jahr. Viele Menschen sind Corona-müde und stossen an ihre Grenzen. Disziplin und Genügsamkeit – meines Erachtens zwei sichere Werte in der Pandemie – scheinen bei Herrn und Frau Schweizer ausgeschöpft zu sein. Viele haben genug, Ungeduld macht sich breit und der Gedanke zu einer Meuterei findet immer mehr Anhänger. Gehässigkeiten, Aggressivität und Streit im alltäglichen Umgang miteinander sind an der Tagesordnung. Dazu ein Beispiel: Kürzlich habe ich in Facebook ein paar Impressionen des traditionellen Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker gepostet, dass ich in meiner Stube am Neujahrsmorgen mitverfolgt habe. Notabene die Bilder waren vom TV. Darunter habe ich geschrieben, ich hätte bereits im neuen Jahr schon mein geliebtes Wien besucht. Einige haben das missverstanden und geglaubt ich sei in Wien live am Konzert, das öffentlich gar nicht stattgefunden hat. Das allein ist ein Missverständnis und kann passieren. Ich nehme das mit einem Augenzwinkern zur Kenntnis. Was ich aber gar nicht goutiere, sind die persönlichen Nachrichten von sogenannten «FB-Freunde», die mich in bissig und boshafter Weise attackieren, weil sie glaubten, ich sei trotz Corona nach Wien gereist. Nun, ich verabschiede mich mit vielen guten Wünschen von solchen Leuten. Genauso stossend finde ich die Tatsache, dass Menschen, die sich impfen lassen wollen, abgestempelt und diskriminiert werden. Kürzlich hat mir eine junge Frau, die als Pflegerin im Alterszentrum arbeitet, folgendes erzählt: Als sie kundtat, dass sie sich impfen lassen würde, wurde sie von den meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen ignoriert. Ich musste zwei Mal nachfragen, ich dachte, ich hätte mich verhört. Der Virus scheint sich nicht nur in den Lungen, sondern leider auch in einigen Köpfen der Menschen dauerhaft eingenistet zu haben. Mit dem Ergebnis, dass ihr Verstand und ihr Verhalten auf Vorkindergartenstufe zurückversetzt wird.

    Für viele scheint – sobald sie selbst in die Bredouille kommen – das Motto «Leben und leben lassen» nicht mehr zu gelten. Haben wir denn nicht schon genug mit der Pandemie und allen ihren gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu kämpfen? Müssen wir in unserer Gesellschaft wirklich wieder lernen, was eigentlich selbstverständlich wäre – nämlich, dass man nicht auf Menschen herabschaut, die eine andere Meinung haben. Auch wenn man sich abgehängt und verunsichert fühlt, ist ein gesundes Mass an Toleranz und Pragmatismus gefragt. In einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft muss man auch Meinungen aushalten können, die einem gegen den Strich gehen.

    Unter demselben Kapitel abzubuchen ist auch die pausenlose Kritik von Medien, Bevölkerung und politischen Kreisen betreffend der anlaufenden Impfkampagnen. Anstatt sich zu freuen, dass es so schnell eine medizinische Lösung gibt, die diese Pandemie allmählich unter Kontrolle bringt wird und uns in absehbarer Zeit wieder ein einigermassen geregeltes Leben zurückbringt, wird kritisiert, geschimpft, gezettert und geflucht. Und alles in Frage gestellt. Dies erinnert mich an meinen kleinen Neffen, der jetzt gerade den Kuchen essen will, obwohl er noch nicht mal im Ofen ist. Allerdings mit dem Unterschied, dass das Kind meine Erklärung versteht und akzeptiert und sich dann auf den Kuchen freut. Wissenschaft, Bund, Kantone haben mit dieser Impfung innert kürzester Zeit Grosses geleistet. Unzählige Menschen haben über die Festtage durchgearbeitet, und innert kürzester Zeit Impfzenter aus dem Boden gestampft. Vielleicht sollte man einfach mal dankbar dafür sein, und diesen Effort in einer aussergewöhnlichen Notlage würdigen. Homeoffice, Homeschooling, keine Reisen, wenig Ausgang, wenig Spass etc. – Verzicht fällt vielen schwer, weil sie ihn nicht gewohnt sind. Dabei ist Verzicht etwas Wunderbares, etwas Befreiendes! Alles, was wir «brauchen», macht uns abhängig, seien es nun das Natel oder Facebook-Freunde. Genügsamkeit ist ein wesentlicher Bestandteil von Glück und Zufriedenheit, unabhängig ob, gerade eine Pandemie wütet. Letztlich ist es eine Frage der Übung – und hier haben wir noch ganz viel Potenzial nach oben.

    Einverstanden: Die Lage ist hässlich, aber da müssen wir jetzt durch. Hand aufs Herz: Das zu tun, fällt doch leichter, wenn man es annimmt, statt innerlich zu rebellieren. Dies ganz nach dem Motto: Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

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