Mit spitzer Feder …


    Kolumne


    Alkohol macht hässlich!

    Alkohol lockert die Stimmung und ist ein Schmiermittel unserer Gesellschaft, aber auch eine psychoaktive Droge und ein starkes Zellgift. Ein Stoff, der uns stimuliert, inspiriert – und bei übermässigem Genuss zerstört. Alkohol ist in unseren Breitengraden ein Kulturgut und wird seit Menschengedenken als Nahrungs-, Heil-, Genuss- und Rauschmittel gebraucht. Zwei Gläser Sekt zum Apéro mit den Arbeitskollegen, ein Glas Rotwein zum Abendessen – und gleich noch eins hinterher, weil die Flasche schon mal offen ist. Sind Gäste zu Besuch, gibt es vielleicht ein, zwei Gläschen Schnaps zum «Verdauen» hinterher. Schnell ist an solchen Tagen die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlene Höchstgrenze von zwei Standardgläsern Alkohol pro Tag für Frauen und vier für Männer überschritten. Das ist noch lange kein Problem, wenn es sich um eine Ausnahme handelt. Aber das tut es leider viel zu oft nicht: Denn in der Schweiz sind schätzungsweise 300’000 Menschen alkoholabhängig – rund zwei Drittel sind Männer. Die Kosten des Missbrauchs sind hoch: rund 6,5 Milliarden Franken betragen Arzt- oder Spitalkosten wegen Unfall, Krankheit oder Sachschäden. Vorzeitige Todesfälle, Invalidität und Arbeitslosigkeit kommen hinzu. Jährlich sterben nach Angaben des Bundes etwa 2000 Betroffene, unter anderem an Leberzirrhose. Dass jede fünfte Person zu viel und zu oft trinkt, betrifft uns alle. Alkoholmissbrauch stört das Zusammensein und zerstört Freundschaften und Familien. Er schadet der Entwicklung von Jugendlichen. Er bringt Gefahren auf die Strasse, in die Betriebe und er führt zu Gewalt. Alkoholmissbrauch ist ein grosses gesellschaftliches Problem, das wir bei weitem leider absolut nicht im Griff haben. So viel zu den Fakten.

    Ich weiss wovon ich schreibe, und kenne mich als ehemalige Freundin eines schweren Alkoholikers bestens damit aus. Alkohol war bis vor wenigen Jahren nie ein Thema für mich. In meiner Familie konsumiert man ab und zu mal genussvoll ein Gläschen Wein, an Weihnachten vielleicht noch ein Schlückchen Cognac. Ich selber trinke keinen Alkohol und rauche nicht – aus Prinzip. Das handhabe ich schon seit Ewigkeiten so. Vielleicht am Neujahr oder Geburtstag ein winziges Tröpfchen Champagner, aber schmecken tut mir der Alkohol nicht. Er ist bitter, brennt in der Kehle und viel zu aggressiv für meine kindlichen Geschmackempfindungen. Ich sehe keinen einzigen plausiblen Grund, Suchtmittel in irgendeiner Form zu konsumieren – denn was habe ich davon? Nichts, nur gesundheitliche und finanzielle Nachteile. Man verliert die Kontrolle, seine Flexibilität und Mobilität. So muss ich mir beispielsweise nie Sorgen machen, wie ich nachts um 2 Uhr nach Hause komme – nämlich sicher und wohl behütet im Auto hinter dem Steuer. Ebenso wache ich zufrieden und ausgeruht in meinen vier Wänden auf und weiss noch bis aufs letzte Detail wie mein gestriger Tag war.

    Zudem macht Alkohol hässlich! Verlebte, graugrüne Pergamenthaut, kaputte, schwer lädierte, vergilbte Zähne, Tränensäcke und geschwollene Augen, dicke Bäuche, zerfressene Organe etc. Ich werde wohl nie verstehen wie man das seinem Körper, der das Haus unserer Seele ist, antun kann. Besonders schlimm sind die Persönlichkeitsveränderungen der Alkoholsüchtigen. Sie werden im Rausch zu völligen anderen Menschen, spüren sich und die Umwelt nicht mehr, sagen Dinge, die sie sich sonst nie trauen würden, verhalten sich exaltiert oder legen einfach ein schlechtes Benehmen an den Tag. Ihre Gesichter werden zu geistlosen Fratzen, ihre Bewegungen sind linkisch und unbeholfen. Viele rutschen schleichend in die Sucht. Sie saufen, weil sei dazugehören wollen, weil sie Probleme verdrängen wollen, weil sie schwach und labil sind, weil ihre Seele verletzt ist und dringend Hilfe benötigt. Doch die wenigsten haben genügend Selbstreflektion, können in den Spiegel schauen und zugeben, dass sie alkoholkrank sind und nehmen dann konsequent professionelle Unterstützung in Anspruch. Lieber geben sie ihrem Umfeld die Schuld und verharmlosen oder negieren ihre Krankheit. Für die Angehörigen ist dies meistens eine schwierige und belastbare Situation. Nicht selten sind sie mitgefangen im Strudel der Sucht – ein Leben zwischen Wut, Verzweiflung und Machtlosigkeit. Doch niemand kann den alkoholsüchtigen Partner retten. Ein Alkoholiker trinkt, weil er muss. Er ist krank. Die einzige Verantwortung, die ein Mensch für sich hat, ist die für sich selbst. Und deshalb muss man manchmal im Leben loslassen und gehen, ohne zurückzuschauen – so weh es auch tut.

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund,
    Verlagsredaktorin

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