Viel flexibler im neuen, hellen Büro

    Der Verein diabetesaargau setzt sich seit über 50 Jahren für die Anliegen von Menschen mit Diabetes aller Typen im Kanton Aargau ein. Marco Grimm, Präsident diabetesaargau; Franz Wiehl, Vize-Präsident diabetesaargau sowie Claudine Blum, Präsidentin der Ärztekommission diabetesaargau über die beiden Haupt-Diabetesformen, Behandlungen und ein Leben mit der Krankheit.

    (Bilder: CR) Mehr Freiraum für Kundenkontakte in den neuen Büroräumlichkeiten an der Herzogstrasse 1 in Aarau: Vizepräsident Franz Wiehl, stellvertretende Geschäfts­leiterin Angela Christen und Präsident Marco Grimm freuen sich darüber.

    Wie ist die Patientenorganisation «diabetesaargau» entstanden?
    Marco Grimm: Die «Aargauer Diabetesgesellschaft», wie die Organisation früher hiess, wurde 1969 von engagierten Betroffenen und Ärzten gegründet mit dem Ziel, die Interessen von Menschen mit Diabetes mellitus zu vertreten und ihnen trotz Krankheit eine hohe Lebensqualität zu verschaffen. Von den ersten Anfängen an organisierte die Gesellschaft fünf bis sieben Vorträge pro Jahr zu aktuellen Themen rund um Diabetes. Sie bot Kochkurse, Schulungswochenenden und Weiterbildungskurse an. Von Anfang an unterhielt der Verein eine Geschäftsstelle, die Material zur Diabetestherapie verkaufte. Alljährlich stellte man ein Sommerlager für Kinder und Jugendliche mit Diabetes auf die Beine und auch gesellschaftliche Anlässe wie Ausflüge und Wanderungen haben nicht gefehlt. Engagierte Persönlichkeiten haben sich teilweise über Jahrzehnte für diabetesaargau eingesetzt. Ohne ihre Einsätze stände diabetesaargau nicht da, wo wir uns heute befinden.

    «diabetesaargau» hat 2019 ihr 50-Jahr-Jubiläum gefeiert. Wie hat sich die Patientenorganisation im Verlauf der Jahre entwickelt?
    Marco Grimm: Die Organisation startete 1969 mit 184 Mitgliedern und entwickelte sich im Lauf der Jahre stetig weiter auf fast 2000 Mitglieder im Jahr 2004. In den folgenden Jahren war die Mitgliederzahl aus verschiedenen Gründen wie Überalterung, respektive Todesfälle rückläufig. Erst in letzter Zeit entwickelte sich die Mitgliederzahl wieder positiv. Derzeit zählt der Verein etwas mehr als 1650 Mitglieder.

    Eine gute Beratung stellt den von Diabetes betroffenen Patienten oder Patientin und nicht die Krankheit ins Zentrum.

    Welche Dienstleistungen bietet «diabetesaargau» für Menschen mit Diabetes?
    Franz Wiehl: Bei diabetesaargau finden Personen mit Diabetes Hilfe und Beratung auf dem Weg zu einem eigenständigen und unbeschwerten Leben mit Diabetes. Unsere fachliche Unterstützung richtet sich auch an Angehörige, Interessierte sowie Fachpersonal. Daneben können Materialien für die Diabetestherapie telefonisch, auf der Geschäftsstelle oder im Online-Shop zu günstigen Preisen bezogen werden.
    Im Zentrum steht aber immer die Beratung unserer Kunden in allen Diabetes-Fragen. Dazu gehören Diabetesfachberatung, Ernährungsberatung und Psychosoziale Beratung sowie das Elternforum «zuckersüss» und das Sommerlager für Kinder mit Diabetes. Für Betroffene stehen auch Erfahrungs-Gesprächsgruppen in der Region Aarau oder in Lenzburg zur Verfügung. Und in der Bewegungsgruppe treffen sich Betroffene regelmässig zum lockeren Spaziergang.

    Wie sieht eine gute Beratung der Diabetestherapie aus?
    Franz Wiehl: Eine gute Diabetesberatung ist informativ, ressourcenorientiert und motivierend auf den Alltag der Betroffenen ausgerichtet. Der Patient wird ausführlich über die eigene Therapie informiert und kann dadurch die Zusammenhänge erkennen und weiss, wie sich im Alltag und in speziellen Situationen zu verhalten. Daneben sind die technische Instruktionen wie zum Beispiel Blutzuckermessung, Insulininjektionen oder Handhabung der Sensoren ein wichtiges Thema, damit die Betroffenen ihre Therapie selbständig durchführen können.

    Was ist Diabetes und wer kann daran erkranken?
    Franz Wiehl: Der Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, die sich in einem erhöhten Blutzuckerspiegel äussert. Dieser entsteht durch einen absoluten Mangel an Insulin (Diabetes mellitus Typ 1) oder durch eine verminderte Wirkung (relativer Mangel) des Insulins (Diabetes mellitus Typ 2). Diabetes kann auch durch Infektionen, Medikamente, etc. verursacht werden oder er tritt erstmals bei einer Schwangerschaft auf, was als Schwangerschafts- oder Gestations-Diabetes bezeichnet wird. Der Typ-2-Diabetes ist die häufigste anzutreffende Form des Diabetes und tritt bei rund 90 Prozent der Betroffenen auf. Diabetes ist nach wie vor unheilbar. Die Veranlagung zum Diabetes ist teilweise vererbbar, insbesondere der Typ-2-Diabetes ist aber sehr von der persönlichen Lebenssituation abhängig. Tatsächlich kann diese Krankheit jeden und jede von uns treffen – und zwar jederzeit.

    Wie hat sich die Diabetes-Therapie im Zeitalter der Hightech-Medizin entwickelt?
    Claudine Blum: Der grösste Meilenstein in der Diabetestherapie fand Ende Achtzigerjahre statt, mit der Entwicklung der portablen Blutzuckermessgeräte. Erst seither kann der Diabetes zuverlässig und genau durch Selbst-Blutzuckermessungen gut eingestellt werden. Die beiden grossen Meilensteine in der Diabetestherapie im Zeitalter der Hightech-Medizin sind der Glukosesensor und der Hybrid Closed Loop, also die Schnittstelle zwischen Insulinpumpe und Sensor mit der Möglichkeit einer automatisierten Insulinabgabe. Weitere kleinere Erfolge sind die SmartPens, also Insulinpens, bei denen die letzten Insulinabgaben abgelesen werden können.

    Welche neuen Möglichkeiten bietet die Digitalisierung bei der Therapie sowie im Alltag von diabetesaargau?
    Claudine Blum: Die Digitalisierung hat es erst ermöglicht, eine Steuerung der Therapie via Glukosesensoren oder gar eine Loop-Technologie/Automatisierte, sensorgesteuerte Insulinabgabe via Pumpe zu entwickeln. Ohne Digitalisierung wären diese Hightech-Entwicklungen nicht möglich gewesen. Bei Nutzung dieser Hilfsmittel ist die Digitalisierung unabdingbar. Die Pumpen- und Blutzuckerdaten werden entweder auf den Geräten selbst oder via Smartphone und oft cloudbasierte Anwendungen analysiert und die Algorithmen entsprechend angepasst respektive auch bei konventionell Insulin spritzenden Patienten die Therapieanpassungen besprochen.

    diabetesaargau führt am 30. April 2024 im Trafo Baden ihre 55. Jubiläums-Generalversammlung mit Apéro und anschliessend einem öffentlichen Vortrag von Herrn Prof. Dr. med. Philipp Schütz, mit dem Thema «Individualisierte und personalisierte Ernährung für Menschen mit und ohne Diabetes» durch. Führt unsere Ernährung heute zu einer Zunahme der Krankheit?
    Franz Wiehl: Die heutige moderne Ernährung besteht oft vor allem aus fettreichen Lebensmitteln wie Fertigprodukte, Fast Food, Chips, fette Backwaren und Schokolade sowie fettes Fleisch und Wurst. Diese Lebensmittel sollten sicherlich aus verschiedenen medizinischen Gesichtspunkten nur selten gegessen werden. Es ist aber schwierig, hier einen direkten Zusammenhang herzustellen. Letztlich kommt es jedoch stark auf individuelle Faktoren wie erbliche Vorbelastung und vor allem auf den eigenen Lebensstil sowie auf das Bewegungsverhalten an, ob jemand erkrankt oder nicht. Auffällig ist aber schon, dass sich gerade in den westlichen Ländern die Krankheit Diabetes Typ 2 wohl durch diese veränderten Ernährungsgewohnheiten stark ausgebreitet hat.

    Wie kann man Diabetes vorbeugen?
    Marco Grimm: Für den Typ-1-Diabetes gibt es praktisch keine vorbeugenden Massnahmen, um ihn zu vermeiden, da es sich um eine Auto-Immun-Erkrankung handelt. Bei Typ-1-Diabetes muss deshalb die Ernährung nicht grundlegend umgestellt werden, wie das bei Typ-2-Diabetes der Fall wäre. Wichtig ist aber, dass Betroffene die Menge der Kohlenhydrate der Mahlzeiten schätzen, resp. berechnen müssen. Da Kohlenhydrate den Blutzucker ansteigen lassen, muss die zu verabreichende Insulinmenge auf die Kohlenhydrate abgestimmt werden. Dafür besteht beim Typ-2-Diabetes eine grosse Chance, diese Art von Diabetes einzudämmen oder den Ausbruch zu verzögern. Wer also ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes hat, kann durch eine gesündere Ernährung, durch vermehrte körperliche Aktivitäten und durch eine Reduktion des Körpergewichts dieses Risiko positiv beeinflussen.

    diabetesaargau hat anfangs 2023 neue Geschäftsräume an der Herzogstrasse 1 in Aarau bezogen. Was bedeutet die neue Infrastruktur für Ihre Arbeit?
    Marco Grimm: Das neue helle, lichtdurchflutete Büro bietet viele Möglichkeiten: Wir verfügen nun über einen grossen Empfangs- und Schulungsraum und haben sogar die Möglichkeit, Schulungen in den Räumen der Geschäftsstelle zu organisieren. Wir können hier unsere Arbeitsabläufe optimieren und schaffen so mehr Freiraum für Kundenkontakte. Im Moment sind wir daran, die digitalen Abläufe weiter auszubauen. All diese Verbesserungen führen auch dazu, dass wir bezüglich unserer Kunden flexibler, agiler und effizienter sind.

    Interview: Corinne Remund

    Diabetesfachberatung
    Folgende Themen stehen in der Diabetesfachberatung im Zentrum:
    • Grundwissen über die Krankheit und Behandlungsmöglichkeiten
    • Durchführen und Interpretieren von Selbstkontrollen
    • Instruktion zu Injektionstechniken und Beratung zu Injektionshilfen
    • Beratung zur Nutzung von Pumpen und Geräten zur kontinuierlichen Glukosemessung
    • Information zu Gefahren der Stoffwechselentgleisungen sowie deren Verhütung resp. Behandlung
    • Hilfestellung bei der Integration in Krisensituationen und schwierigen Phasen der Krankheitsbewältigung
    • Hilfe zur Selbsthilfe in Situationen wie Sport, Reisen, Autofahren u.a.
    Weitere Informationen:
    www.diabetesaargau.ch
    www.diabetesschweiz.ch
    Spendenkonto: IBAN CH33 0900 0000 5000 8217 9

     

     

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